1977: Doppelsieg für Mercedes-Benz 280 E bei „London to Sydney“

Zwei Mercedes-Benz Limousinen der oberen Mittelklasse gewinnen am 28. September 1977 die härteste Rallye der Welt: Auf 280 E (W 123) siegt das Team von Andrew Cowan bei der „ Singapore Airlines London to Sydney Rally“. Als zweite Mannschaft kommt das Team von Anthony Fowkes ins Ziel. Unter der Leitung von Erich Waxenberger starten damals insgesamt sechs vom Werk unterstützte 280 E Rallyefahrzeuge. Vier von ihnen finden sich am Ziel unter den ersten zehn Plätzen. Für die spektakuläre Fernfahrt erhalten die weitgehend serienmäßigen Limousinen andere Räder, Fahrwerkmodifikationen und robuste Sandbleche statt Stoßstangen. Zusätzlich zum Netz von Servicestützpunkten entlang der Route kommen auch Begleitfahrzeuge (W 123 und Unimog) zum Einsatz.

Anthony Fowkes und sein Beifahrer Peter O’Gorman kommen bei der „1977 London to Sydney Rally“ auf Platz 2 ins Ziel (Bild: Daimler AG)

Von Opernhaus zu Opernhaus

Die Fernfahrt verspricht bereits beim Start in Großbritannien ganz große Oper: Am Covent Garden Opera House in London starten 69 Fahrzeuge am 14. August 1977 zur schwersten Rallye der Welt: Weit über 30.000 Kilometer durch drei Kontinente in 30 Tagen und Nächten stehen auf dem Programm. Dazu kommen drei Schiffspassagen. Das Ziel der „1977 Singapore Airlines London to Sydney Rally“ ist ein anderes Musiktheaterhaus auf der anderen Seite des Erdballs: die architektonisch faszinierende Oper im australischen Sydney.

Diese Rallye greift die Idee des ersten London–Sydney Marathon aus dem Jahr 1968 auf, den damals ebenfalls Andrew Cowan gewinnt. Doch die zweite Auflage der Fernfahrt, organisiert von dem Briten Wylton Dickson, ist noch einmal erheblich länger und anspruchsvoller als die Premiere. Angekündigt wird sie 1976 als „ die längste Automobilrallye in der Geschichte“ („the longest car rally in history“).

Insgesamt sechs Teams nehmen in Mercedes-Benz 280 E Limousinen an der Rallye teil. Sie sind nicht direkt als Werksmannschaften gemeldet, werden unter der Leitung des Ingenieurs Erich Waxenberger aber vom Hersteller umfangreich unterstützt:

  • Startnummer 27: Herbert Kleint, Günter Klapproth, Harry Vormbruck (Privatteam Herbert Kleint)
  • Startnummer 33: Andrew Cowan, Colin Malkin, Michael Joan Broad (Team der Rank Organisation)
  • Startnummer 37: Joachim Warmbold, Jean Todt, Hans Willemsen (Privatteam Joachim Warmbold)
  • Startnummer 49: Anthony Fowkes, Peter O’Gorman (Team Johnson Rallx Wax)
  • Startnummer 59: Alfred Kling, Klaus Kaiser, Jörg Leininger (Privatteam Alfred Kling)
  • Startnummer 80: Wolfgang Mauch, José Dolhem (Privatteam Wolfgang Mauch)
Service für die Mercedes-Benz 280 E Rallyefahrzeuge während der „1977 London to Sydney Rally“. Im Vordergrund das spätere Siegerfahrzeug von Andrew Cowan mit der Startnummer 33 (Bild: Daimler AG)

Präzise Vorbereitung

Der Rallye-Einsatz der 280 E wird in Zusammenarbeit mit acht verschiedenen Mercedes-Benz Versuchsabteilungen (unter anderem Karosserie, Bremsen, Motoren und Gesamtfahrzeug) sowie dem Zentralen Kundendienst vorbereitet.

Die Limousinen erhalten unter anderem größere Räder (15 Zoll) sowie – jeweils als Sonderausstattung lieferbar – Sportstoßdämpfer und so genannte Tropenfedern. Die Bodenfreiheit wächst durch die Summe aller Maßnahmen um 35 Millimeter. Zudem werden die Schräglenker nach Versuchsfahrten auf dem britischen Truppenübungsplatz Bogshot an Ober- und Unterschale verstärkt.

An die Stelle des serienmäßigen Getriebes tritt bei den Rallyefahrzeugen das Viergang-Schaltgetriebe der V8-Typen aus der damaligen S-Klasse (W 116). Optisch besonders markant ist das robuste Sandblech, das statt der üblichen Stoßstangen an der Front montiert wird. Um den Service und die Ersatzteilversorgung zu vereinfachen, fahren auch die beiden britischen Teams Linkslenker-Fahrzeuge.

Reise-Ausrüstung

Auch die Kraftstoffqualität entlang der Route wird in die Planungen mit einbezogen: Weil die Oktanzahl bis auf 82 ROZ sinken kann, wird die Zündung angepasst. Außerdem führen die Fahrer einen Kanister Oktanzahlverbesserer mit sich, und aus einem Zusatztank im Fahrzeug kann hochoktaniger Treibstoff dem lokalen Benzin beigemischt werden.

Seine persönliche Ausrüstung beschreibt Anthony Fowkes in einem Interview mit dem Wochenmagazin India Today im September 1977: Neben Ersatzteilen für das Automobil seien für ihn bei einer solchen Rallye beispielsweise Malaria-Medikamente, Insektenschutzmittel, Wasseraufbereitungstabletten und Toilettenpapier unverzichtbar – genauso wie Obst und die englische Süßigkeit „Kendal Mint Cake“.

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