90 Jahre „Hans im Glück“ – Hans Herrmann zum runden Geburtstag

Am 23. Februar 1928 – also am Erscheinungstag der SLK-Fanpost vor genau 90 Jahren – Hans Herrmann in Stuttgart geboren. Und auch wenn er nie den „ganz großen“ Formel 1 Titel ergatterte – zur Legende wurde er trotzdem.
Seine Rennsportkarriere begann er 1952 auf einem privaten Porsche 356, mit dem er an Bergrennen, Rallyes und Zuverlässigkeitsfahrten teilnahm. Bereits im folgenden Jahr erzielte er zusammen mit Richard von Frankenberg im Porsche 356 bei der Rallye Lyon-Charbonnières den fünften Gesamtplatz. Der damalige Rennleiter Huschke von Hanstein holte den 26-Jährigen daraufhin in die Porsche-Werksmannschaft. 1953 ging Herrmann beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans erstmals an den Start, zusammen mit Co-Pilot Helmut Glöckler holte er auf einem Porsche 550 Coupé auf Anhieb den Sieg in der Klasse bis 1,5 Liter Hubraum.

Hans Herrmann 1955 bei Versuchsfahrten neben dem Formel-1-Rennwagen W 196 R mit Stromlinienkarosserie (Bild: Daimler AG)

Nachdem sich Herrmann im gleichen Jahr auch den Titel des Deutschen Sportwagenmeisters gesichert hatte, wurde auch Mercedes-Benz-Rennleiter Alfred Neubauer auf ihn aufmerksam – Stuttgart im Sommer 1953. Das Telefon klingelt bei Hans Herrmann. „Hier Neubauer, Daimler-Benz. Hören’s, haben Sie Lust einmal bei uns zu probieren?“, dröhnt ihm ein markantes Organ entgegen. Der gerade einmal 25 Jahre alte Herrmann ist baff und still. „Na, was ist?“, ruft der legendäre Rennleiter Alfred Neubauer. Der junge Rennfahrer bringt ein „Ha, ja!“ zustande. „Gut, kommen Sie morgen zum Nürburgring.“ Ein Klicken im Hörer, Ende des Gesprächs – und Anfang des Einstiegs von Hans Herrmann bei Mercedes-Benz. Herrmann bildet neben Juan Manuel Fangio und Karl Kling das Werksteam 1954 in dem die Marke mit dem Stern wieder in die „Königsklasse“ des Motorsports einsteigt. Parallel dazu startete Herrmann 1954 weiterhin für Porsche in den kleineren Hubraumklassen.

Beim Großen Preis von Frankreich am 4. Juli 1954 in Reims haben die neuen Silberpfeile Premiere. Fangio und Kling holen einen souveränen Doppelsieg. Herrmann krönt sein Renndebüt mit der schnellsten Rundenzeit: 2:32,9 Minuten entsprechen einem Durchschnittstempo von 195,463 km/h. In der Saison 1954 erringt Hans Herrmann zwei Podiumsplatzierungen bei Grand-Prix-Rennen.

Hans Herrmann auf einem Mercedes-Benz W 196 „Stromlinie“ beim Grand Prix von Frankreich in Reims, 1954 (Bild: Daimler AG)

Unvergessen ist der spektakuläre Vorfall während der Mille Miglia 1954, als Herrmann und sein Beifahrer Herbert Linge im Porsche flach geduckt unter geschlossenen Bahnschranken durchbrausten, die Gleise unmittelbar vor dem heranrasenden Schnellzug überquerend. Herrmann machte die spektakuläre Momentaufnahme später zum Motiv einer Briefkarte, ergänzt um den Zusatz „Glück muss man haben.“

Mercedes-Benz setzt das Engagement des jungen Rennfahrers in der Saison 1955 fort, nun zusätzlich zur Formel 1 auch bei internationalen Sportwagenrennen mit dem 300 SLR (W 196 S). Zur Saison 1955 kommt Stirling Moss, nur wenig jünger als Hans Herrmann, ganz neu in die Rennmannschaft. Doch bei einem Trainingsunfall in Monaco im Mai 1955 ereilt Herrmann das Pech: Er wird schwer verletzt und kann in dieser Saison nicht mehr starten. Nach dieser Saison zieht sich Mercedes-Benz dann für viele Jahre aus dem Rennsport zurück.

Große Erfolge als Langstreckenfahrer – und „Hans im Glück“

Herrmann blieb der anderen Stuttgarter Marke als Porsche-Langstreckenfahrer treu, wollte aber unbedingt zur Formel 1 zurück. Beim Training zur Targa Florio verunglückte er in einem Ferrari. Trotzdem wurde er zu Testfahrten eingeladen, zusammen mit u. a. Wolfgang Graf Berghe von Trips. Der Rennleiter gab ihm die Anweisung, schonend zu fahren, woran sich Herrmann hielt. Die anderen Fahrer gaben Vollgas und erzielten bessere Zeiten. Rückblickend ist Herrmann gar nicht unglücklich darüber, nicht bei den Italienern Werksfahrer geworden zu sein, denn es verunglückten mehrere davon tödlich – und andere wie John Surtees litten unter den teaminternen Intrigen.

In den Formel-1-Saisons 1957 bis 1959 sah man Herrmann mit mäßigem Erfolg auf Maserati, Cooper und B.R.M. Auf der Berliner AVUS 1959 trat beim B.R.M. vor der Südkehre bei ca. 280 km/h Bremsversagen auf. Herrmann lenkte den B.R.M. in die regennassen und dadurch sehr schweren Strohballen. Der Wagen überschlug sich in hohem Bogen, wobei Herrmann herausgeschleudert wurde. Das Standbild dieses Videos, mit dem verdutzten Herrmann auf dem Boden, der Wagen durch die Luft wirbelnd, brachte ihm wegen des glimpflichen Ausgangs den Spitznamen „Hans im Glück“ ein.

1959 folgt die nächste „Heimkehr“ zu Porsche. Zusammen mit Olivier Gendebien gewann er 1960 auf Porsche 718 RS 60 Spyder das 12-Stunden-Rennen von Sebring, der erste Gesamtsieg von Porsche in einem Rennen zur Langstrecken-Markenweltmeisterschaft. Kurz darauf siegte die Kombination Hans Herrmann zusammen mit Joakim Bonnier im Porsche RS 60 Spyder auch bei der Sizilien-Rundfahrt Targa Florio. Außerdem wurde Herrmann 1960 mit dem Porsche 718/2 auch Formel 2-Europameister.

Auch in der Formel-1-Saison 1961 war er Teil des Porsche-Teams. Allerdings erwies sich der etwas plumpe Vierzylinder-Porsche 718, der in der bisherigen Formel 2 erfolgreich war, gegen die neuen, schlanken Konstruktionen der Formel-1-Teams unterlegen. Porsche reduzierte die Einsätze, Herrmann kam seltener zum Zuge, obwohl er im Vorjahr Gesamtsiege beim 12-Stunden-Rennen von Sebring (mit Olivier Gendebien) und bei der Targa Florio (mit Joakim Bonnier und Graham Hill) eingefahren hatte.

Unter anderem nimmt er 1961 aber auch mit einem Mercedes-Benz 220 SE (W 111) am Großen Straßenpreis von Argentinien teil, wo er auf dem 2. Platz ins Ziel kommt und damit zusammen mit dem Sieger Walter Schock, ebenfalls auf 220 SE, den Doppelsieg komplett macht.

1962 wechselte er zu Carlo Abarth, um bei dem Wiener Konstrukteur ab 1963 Werksfahrer zu werden. Nach drei Jahren kehrte er 1966 erneut in die Porsche-Werksmannschaft zurück. Herrmann fuhr nicht nur alle großen Langstreckenrennen und nebenbei Läufe zur Europa-Bergmeisterschaft, sondern führte auch unzählige Testfahrten im damals neuen Entwicklungszentrum Weissach durch.

Das Werksteam mit den Piloten Hans Herrmann, Jo Siffert, Vic Elford, Rolf Stommelen, Udo Schütz und Gerhard Mitter errang 1969 erstmalig den Markenweltmeistertitel für Porsche. In einem der aufregendsten Le Mans-Rennen aller Zeiten hatte sich zuvor Hans Herrmann nach 24 Stunden heftigen Kampfes Jacky Ickx im Ford GT 40 um 120 Meter geschlagen geben müssen. Ein Jahr darauf lief es für ihn umso besser: Bei seiner elften Teilnahme in Le Mans gelang ihm der erste Gesamtsieg für Porsche.

Er nahm diesen motorsportlichen Höhepunkt zum Anlass, sich im Alter von 42 Jahren vom aktiven Rennsport zurückzuziehen. Zudem hatte er vor dem Rennen seiner Frau Madelaine versprochen, im Falle des Sieges seinen gefährlichen Beruf aufzugeben.

Hans Hermann verkauft im Anschluss an seine Karriere Autozubehör und begleitet seine beiden Stuttgarter Marken bis heute. Das Porsche Museum bei Fahreinsätzen auf renommierten Klassik-Veranstaltungen und als Markenbotschafter von Mercedes-Benz Classic.

Noch einmal „Adrenalin im Überfluss“ musste Herrmann 1991 erleben, als Verbrecher ihn in seinem Haus entführten. Gegen ein Lösegeld wird er wieder freigelassen – obwohl er nie wirklichen Reichtum (im Vergleich zu anderen Formel 1 Fahrern) mit der Rennfahrerei verdienen konnte.

Zum runden Geburtstag des „Schwabenpfeils“ richten Mercedes und Porsche im Classic Center in Fellbach ein Fest für Hans Herrmann aus. Auf die Frage, welche Marke er bevorzugte sagt er diplomatisch: „Ich wusste immer, dass ich mit soliden Autos unterwegs war.“ – schränkt dann zu Gunsten der Stuttgarter Marken allerdings ein „die Autos von Maserati und Lotus waren im Hinblick auf die Technik anfälliger.“

Herzlichen Glückwunsch, Hans Herrmann, „Schwabenpfeil“!