Vor 30 Jahren…dem 190er wachsen riesige Flügel: der 190 E 2.5-16 Evolution II

….30 Jahre?? 30 Jahre ist das schon wieder her? Ich gebe zu, das war für mich ähnlich „schockierend“ wie wenn ein junger Mensch, den man als Baby kennt, plötzlich mit dem Auto an einem vorbeifährt und man denkt: „wie, ist das schon 18 Jahre her?“.

Ja, der „Evo“ hatte es mir schon immer angetan, das wird den regelmäßigen Lesern der Fanpost nicht entgangen sein.

Ich gebe zu, ich bin ein „alter DTM-Fan“, der allerdings seine Liebe zu den Übertragungen verloren hat, seit für meinen Geschmack zu viel durch Strafen in die Rennen eingegriffen wird. Aber egal, in den 1980ern landete ich völlig unbedarft mit einem Freund bei einem DTM-Rennen auf dem Hockenheimring – und ich war begeistert. Von der Atmosphäre, davon, dass es hier noch Motorsport „zum Anfassen“ gab. Und auch davon, dass Fahrzeuge wie Ford Sierra Cosworth, Mercedes-Benz 2.3/2.5-16, BMW M 3, Opel Kadett oder Ford eben aus dem „täglichen Leben“ bekannt waren. Die Fahrer waren – verglichen mit der Formel 1 – sehr zugänglich und es war ein tolles Erlebnis…

Der Mercedes-Benz 2.3-16 gefiel mir ja schon in der Serienversion – ich hatte das Bild von Geschwindigkeitsrekord in Nardo lange in meinem Zimmer hängen.

Weltrekordfahrt in Nardò. Deer Mercedes-Benz 190 E 2.3-16 spult 50.000 Kilometer herunter und stellt insgesamt drei Weltrekorde und neun Klassenrekorde auf (Bild: Daimler AG)


Aber als richtiger „Renner“… das war schon cool.
Infiziert mit dem „DTM-Virus“ folgten noch viele Besuche auf den Rennstrecken quer durch Deutschland und das Interesse an den Fahrzeugen und dem Reglement wuchs.

Dass einem Mercedes dann 1989 Flügel und 1990 gewaltige Flügel wuchsen lag an eben diesem Reglement. Die DTM sollte Rennsport mit möglichst seriennahen Fahrzeugen sein. Jedes Modell musste innerhalb eines Jahres mindestens 5.000 Mal gebaut werden.

Mercedes-Benz 190 E 2.5-16 Evolution mit seinen Vorgängern 190 E 2.5-16 Evolution und Mercedes-Benz 190 E 2.3-16 (Bild: Daimler AG)

Ab 1989 war es erlaubt, das Spoilerwerk dieser Fahrzeuge für den Rennsport weiterzuentwickeln. Diese mussten in einer Kleinserie von mindestens 500 Fahrzeugen gebaut werden und man nannte sie „Evolutionsmodelle“, also Weiterentwicklungen aus dem bestehenden Serienfahrzeug. Es bürgerte sich schnell der Name „Evo“ für die entsprechenden Fahrzeuge von BMW, Mercedes-Benz und Opel ein.

1989 präsentierte Mercedes-Benz auf Basis des 190E 2.5-16 das erste Evolutionsmodell, im Jahr 1990 folge der „Evo II“. Beide Modelle wurden jeweils 502 Mal produziert. Und alle in Blauschwarz-metallic…

Mercedes-Benz 190 E 2.5-16 Evolution (W 201). 1989 (Bild: Daimler AG)

Und wenn ich 1999 nicht die Liebe zum SLK entdeckt hätte… ein EVOII war auf jeden Fall in der engeren Wahl. Und die Fahrzeuge gab es damals noch für rund 10.000 D-Mark….

Das ist meine persönliche „Liebe“ zu diesem Fahrzeug und bis heute freue ich mich jedes Jahr auf der Retro Classics, wenn der Mercedes 190E–16V Club e.V. seine Exponate aufstellt… ich liebe dieses Ansauggeräusch…

Nach langer Vorrede, also jetzt die Fakten und noch ein paar Bilder…

Kompakt-Sportler

Der 190 E 2.5-16 Evolution II mit 173 kW (235 PS) verändert die Perspektive auf den „Baby-Benz“. Der Evo II etabliert die erfolgreiche Kompaktklasse der Baureihe 201 vor 30 Jahren im Bereich damaliger Hochleistungsfahrzeuge des Marktsegments. Seine Position spiegelt sich auch im Preis wider: Mindestens 115.259,70 DM müssen sportlich ambitionierte Kunden für einen Evo II laut Preisliste investieren. Zum Vergleich: Der eine jugendliche Zielgruppe ansprechende und knapp halb so starke 190 E 1.8 der Baureihe 201 (80 kW / 109 PS) ist für weniger als ein Drittel zu haben.

Salon-Debüt

Seine öffentliche Premiere erlebt der Evo II vom 8. bis 18. März 1990 auf dem Genfer Automobil-Salon. Hier stellt Mercedes-Benz ein Jahr zuvor bereits den 190 E 2.5-16 Evolution („Evo I“) vor.

Trieb-Werk

Der 173 kW (235 PS) starke Vierzylindermotor M 102 wird unter der Leitung von Dr.-Ing. Jörg Abthoff, Leiter der Motorenvorentwicklung, und seinen Mitarbeitern Rüdiger Herzog, Dag-Harald Hüttebräucker und Rudolf Thom auf Basis des Aggregats des Evo I weiterentwickelt. Schon dieser hat einen kürzeren Hub (82,8 Millimeter) und eine größere Bohrung (97,3 Millimeter) als der Motor des 190 E 2.5-16. Im Evo II sind nun zwei Metallkatalysatoren Serienausstattung. Die Abregeldrehzahl liegt bei 7.700 U/min (!!), was unter anderem durch reduzierte Pleuelgewichte, vier statt acht Kurbelwellengegengewichte und das Umstellen des Nockenwellenantriebs von der Duplex- auf eine Einfachrollenkette möglich wird.

Heck-Flügel

Sein markanter Heckspoiler macht den Evo II im Jahr 1990 zu einem der wohl schillerndsten Mercedes-Benz Serienfahrzeuge seit dem 300 SL „Flügeltürer“ (W 198) von 1954. Entwickelt wird der kastenförmige Spoiler vom Aerodynamiker Rüdiger Faul (Mercedes-Benz Entwicklung in Sindelfingen) gemeinsam mit Professor Richard Läpple von der Technischen Hochschule Stuttgart. Um den stabilisierenden Abtrieb an der Hinterachse zu optimieren, hat der Spoiler einen herausziehbaren Flap an der oberen Querleiste. Die untere Spoilerleiste im Heck lässt sich kippen, und der Frontspoiler ist in zwei Stufen in Längsrichtung verstellbar.

Sport-Paket

Zu den Maßnahmen, die der Evo II mit Blick auf den DTM-Einsatz erhält, gehören auch zusätzliche Versteifungen der Karosserie und größere 17-Zoll-Räder. Die Aerodynamikmodifikationen sorgen gegenüber dem Evo I für zusätzlichen Abtrieb: Der maximale Hinterachsabtrieb des Evo II durch den Spoiler liegt bei bis zu 57,1 Kilogramm. An der Vorderachse sind es bis zu 21,2 Kilogramm.

Motoren-Finale

Von dem Reihenvierzylinder aus den Serienfahrzeugen werden die Triebwerke für den Einsatz in der DTM abgeleitet. Die Leistung wächst dabei von 173 kW (235 PS) im serienmäßigen Evo II auf bis zu 274 kW (373 PS). Es ist das letzte in der Motorenentwicklung bei Mercedes-Benz konzipierte DTM-Triebwerk: Künftig übernimmt AMG diese Entwicklungsaufgabe.

Mercedes-Benz 190 E 2.5-16 Evolution II – für damalige Zeiten ein sattes Kraftpaket (Bild: Daimler AG)

Kritiker-Lob

Der Evo II stößt auf positives Echo in der Fachpresse. Die „Automobil Revue“ schreibt am 23. August 1990: „Gelangt man in den Grenzbereich, zeigt der viertürige Sportwagen ein weitgehend neutrales Eigenlenkverhalten, das sich durch Lastwechsel kaum ändert. Bei forcierter Gangart kann der Evo II zum gut kontrollierten Übersteuern gebracht werden.“ Das Magazin „auto motor und sport“ urteilt in Heft 15/1990: „[D]er 190 E 2.5-16 ist ein Kurvenkünstler von hohen Graden und mit Abstand der handlichste Mercedes. Seine weicher abgestimmte Federung sorgt im übrigen für einen Komfort, der durchaus noch mit Mercedes-Maßstäben gemessen werden kann und der für eine so auf aktives Fahren abgestimmte Limousine schon verblüffend ist.“

Premiere des Mercedes-Benz 190 E 2.5 Evolution II im Rahmen 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring 1990. Fritz Kreutzpointner belegt den zweiten Platz im zweiten Lauf (Bild: Daimler AG)

Sport-Erfolge

Die vom 190 E 2.5-16 Evolution II abgeleiteten DTM-Renntourenwagen erfüllen voll und ganz die in sie gesetzten Erwartungen. Sein Renndebüt feiert der Evo II am 16. Juni 1990 auf der Nordschleife des Nürburgrings, zum letzten DTM-Rennen der Saison am 15. Oktober 1990 auf dem Hockenheimring sind alle werksunterstützten Teams mit dem Evo II ausgerüstet. Den ersten Sieg erzielt Kurt Thiim am 5. August 1990 im ersten Lauf des Flugplatzrennens in Diepholz. Klaus Ludwig wird 1991 auf Evo II DTM-Vizemeister, 1992 gewinnt er die DTM-Fahrermeisterschaft vor Kurt Thiim und Bernd Schneider. Die Mercedes-Benz Piloten können 16 von 24 DTM-Rennen mit dem Evo II in der Meistersaison 1992 gewinnen.

Im ersten Lauf des Flugplatzrennens in Diepholz 1990 siegt Kurt Thiim mit AMG Mercedes-Benz 190 E 2.5-16 Evolution. Es ist der erste DTM-Sieg des Evo II (Bild:Daimler AG)