Das Autoradio: seit fast 100 Jahren auf der Fahrt „dabei“

Seit 135 Jahren ermöglicht das Automobil individuelle Mobilität. Und das Autoradio liefert seit rund 100 Jahren den Klang dazu. Über viele Jahrzehnte gilt: einfach einschalten, Frequenz auswählen und schon tönt der Lieblingssender aus dem Lautsprecher. Radio informiert und unterhält, auf dem Weg zur Arbeit oder während der Fahrt in den Urlaub. Die heutige Medientechnik des digital vernetzten Fahrzeugs bietet sogar Möglichkeiten, die weit über Unterhaltungsprogramm, Nachrichten und Verkehrsfunk hinausgehen.

Das historische Rundskalenautoradio vom Typ Becker Solitude aus den 1950er-Jahren im Vergleich MBUX Display des Mercedes-Benz Experimental-Sicherheits-Fahrzeugs ESF 2019 (Bild: Daimler AG)

Erste Autoradios entstehen in den frühen 1920er-Jahren zunächst in den USA als Einzelstücke technikverliebter Bastler auf Grundlage der damaligen Röhrentechnik. In Europa schaut man zunächst staunend auf diese Entwicklung. Am 13. August 1922 berichtet beispielsweise die „Berliner Illustrierte Zeitung“ über „die ‚Drahtlose‘ als Zeitvertreib – die neueste Mode in Amerika“ und bebildert den Artikel mit einer Radioinstallation samt quer über die Frontscheibe gespannter Antennenanlage. Die Begeisterung am mobilen Radioempfang wächst schnell: Die deutsche Fachzeitschrift „Funkschau“ schreibt am 1. Juni 1931: „Kein Zweifel: Auto und Radio passen glänzend zusammen. Die Geschwindigkeit der Ortsveränderung, die der Wagen gestattet, findet ihre Ergänzung in der räumlichen Ungebundenheit des Radios.“

1951. Autoradio Becker Nürburg im Armaturenbrett integriert. Becker entwickelt dieses Radiogerät mit „magischem Auge“ zur leichteren Einstellung des Senders eigens für die Mercedes-Benz Typen 300 und 300 S (Bild: Daimler AG)

An der technischen Weiterentwicklung beteiligen sich in den 1920er-Jahren beispielsweise auch die United American Bosch, ein Tochterunternehmen des deutschen Unternehmens. So stammt das erste serienmäßig in Europa gefertigte Autoradio schließlich auch von Bosch. Es heißt Autosuper 5 (AS5) und wird 1932 vom Tochterunternehmen Ideal-Werke (die im selben Jahr den Markennamen Blaupunkt einführen) auf der Funkausstellung in Berlin präsentiert. Das 15 Kilogramm wiegende Gerät kostet die stattliche Summe von 465 Mark (kaufkraftbereinigte Umrechnung: rund 2.000 EUR). Doch dieser Preis fällt bei den wohlhabenden Kunden kaum ins Gewicht. Denn noch ist das Autoradio eine hochexklusive Sonderausstattung in meist noblen Autos.

Zu dieser Zeit ist es üblich, dass nur die kompakte Bedieneinheit direkt am Armaturenbrett befestigt ist. Das voluminöse Empfangsteil und der Verstärker hingegen finden an anderer Stelle Platz: etwa im Kofferraum. Später entdeckt die Hifi-Szene die Trennung von Verstärker und Empfangseinheit wieder für sich und baut Verstärker wieder in den Kofferraum.  Das AS5 ist bereits vergleichsweise kompakt, und die Technik kann unterhalb des Armaturenbretts verbaut werden. Wenige Jahre später wird das Autoradio nahtlos ins Fahrzeug und dessen Bedienkonzept integriert. Beispielsweise über eine runde Senderskala direkt neben den Instrumenten im Blickfeld des Fahrers, wie Mercedes-Benz es unter anderem im Typ 770 „Großer Mercedes“ verwirklicht.

Rundskalenautoradio vom Typ Becker Solitude aus den 1950er-Jahren mit holzverkleideter Front für den Einbau im Armaturenbrett (Bild: Daimler AG)

Nach dem Zweiten Weltkrieg werden Autoradios dann noch einmal deutlich kompakter und können komplett ins Armaturenbrett integriert werden. Etwa im Mercedes-Benz 170 S (W 136), dem ersten Fahrzeug der Marke nach dem Zweiten Weltkrieg: Radios wie das 1949 vorgestellte Becker AS 49 sind für diesen Typ ab dem 28. Februar 1950 als Sonderausstattung lieferbar.

Mit dem Wirtschaftswunder der 1950er-Jahre startet auch das Autoradio in eine neue Blütezeit. Ultrakurzwellensender (UKW) bieten eine bessere Empfangsqualität. Weitere Innovationen in den 1950er-Jahren sind Stationstasten und Sendersuchlauf. Transistortechnik, Kassettenlaufwerk und Stereoklang folgen in den 1960er-Jahren. In den 1970ern wird das Autofahrer-Rundfunk-Informationssystem (ARI) eingeführt, das Verkehrsmeldungen im Programm automatisch erkennt und die Lautstärke leicht anhebt.

Seither wird der Rundfunkempfang im Auto kontinuierlich um ein ganzes System digitaler Medien- und Informationstechnik erweitert. Entscheidende Schritte sind unter anderem die Integration des CD-Spielers in den 1980er-Jahren und die Verknüpfung mit der Navigationstechnik in den 1990er-Jahren.

Autoradios in drei Varianten: Für die Mercedes-Benz C-Klasse der Baureihe 203 stehen drei Geräte zur Auswahl – mit Navigationssystem, CD-Spieler oder Kassettenlaufwerk. (Bild: Daimler AG)