Vor 100 Jahren: die ersten Mercedes Kompressorwagen auf der DAA 1921

Wie bei den SLK mit dem zusätzlichen „K“ für Kompressor: mehr Ladedruck für mehr Leistung zwar das Ziel der Ingenieure, als die Daimler Motoren Gesellschaft (DMG) vor 100 Jahren die ersten beiden serienreifen Mercedes-Personenwagen vorstellt, deren Motoren mit jeweils einem zuschaltbaren Roots-Kompressor ausgerüstet sind. Premiere haben diese Typen Mercedes 6/25 PS und 10/40 PS auf der ersten Deutschen Automobil-Ausstellung nach dem Ersten Weltkrieg 1921 in Berlin. Dort sorgen die neuen Mercedes-Typen für Aufsehen. Bis zur Produktion vergeht aber noch mehr als ein Jahr:

Die Kompressormotoren mit 1,6 und 2,6 Litern Hubraum werden unter der Leitung von Paul Daimler entwickelt. Der älteste Sohn von Gottlieb Daimler ist seit dem Ausscheiden von Wilhelm Maybach aus dem Unternehmen im Jahr 1907 Leiter der DMG-Fahrzeugentwicklung. Der Ingenieur experimentiert erstmals 1919 mit einem Roots-Kompressor als mechanischem Lader am Motor eines Mercedes-Knight 10/40 PS. Allerdings lassen sich der schiebergesteuerte Knight-Motor und der Roots-Kompressor nicht erfolgreich miteinander kombinieren.

Flugmotoren-Know-how für Automobilantriebe

Das Prinzip des im 19. Jahrhundert in Nordamerika entwickelten Drehkolbengebläses kennt Daimler aus der Flugmotorenentwicklung während des Ersten Weltkriegs. Nachdem sich der Versuch mit dem Knight-Motor als technische Sackgasse erweist, fokussiert sich die Entwicklung auf ventilgesteuerte Motoren. Für die vor 100 Jahren vorgestellten ersten Mercedes-Kompressorfahrzeuge entstehen zwei Reihenvierzylindermotoren mit oben liegender Nockenwelle, v-förmig angeordneten Ventilen und zentral eingelassenen Zündkerzen. Eine Königswelle am Motorende treibt Nockenwelle und Wasserpumpe an. Der Antrieb des stehend vorn am Motor angebauten Roots-Kompressors erfolgt vom vorderen Ende der Kurbelwelle aus.

Die Wirkung des mechanischen Laders ist enorm: Im Mercedes 6/25 PS mit 1.568 Kubikzentimetern Hubraum steigt die Leistung bei Zuschalten des Kompressors von 15 bis 18 kW (20 bis 25 PS) auf 28 bis 29 kW (38 bis 40 PS). Beim Typ 10/40 PS mit 2.614 Kubikzentimetern Hubraum stehen ohne Kompressor 26 bis 29 kW (35 bis 40 PS) und mit Kompressor 48 kW (65 PS) zur Verfügung. Im Mittel ist das jeweils ein Leistungszuwachs von gut 60 Prozent. Um das Potenzial schon im Namen des jeweiligen Modells zu verdeutlichen, erhalten die beiden Fahrzeuge im Jahr 1924 erweiterte Typbezeichnungen: Künftig werden sie als Mercedes 6/25/38 PS und Mercedes 10/40/65 PS angeboten. Dabei steht die letzte Zahl für die Leistung in PS mit zugeschaltetem Kompressor.

Kompressortechnik für den Rennsport

Beteiligt an der Konstruktion sind auch Albert Heeß und Otto Schilling. Heeß steigt nach der Fusion der DMG mit Benz & Cie. im Jahr 1926 zum Konstruktionschef für alle bei der neuen Daimler-Benz AG entwickelten Fahrzeugmotoren auf. Schilling beeinflusst als späterer Oberingenieur vor allem die Mercedes-Benz Rennmotorenentwicklung der 1930er-Jahre maßgeblich. Bereits der 1,6-Liter-Motor des Mercedes 10/40 PS wird in den 1920er-Jahren zur Basis für Rennsportmotoren mit 1.500 Kubikzentimetern Hubraum (Mercedes 6/40/65 PS Rennwagen von 1922) und 1.986 Kubikzentimetern Hubraum (Mercedes 2-Liter-Indianapolis-Rennwagen von 1923 und Mercedes 2-Liter-Targa-Florio-Rennwagen von 1924). Der legendäre, rot lackierte Targa-Florio-Rennwagen, mit dem Christian Werner das berühmte Straßenrennen im Jahr 1924 gewinnt, ist im Mercedes-Benz Museum im Raum Mythos 7 zu erleben: Silberpfeile – Rennen und Rekorde.

Der im Automobilbau damals neuartige und ungewöhnliche mechanische Lader führt 1921 zu einer Vielzahl von Medienberichten und anderen Veröffentlichungen, in denen der Roots-Kompressor etwas vage auch als Gebläse, als Überlastungsvorrichtung und als Wagenpumpe bezeichnet wird. Doch Fachwelt wie Öffentlichkeit erkennen schnell das Potenzial der Technologie. Zu Legenden werden insbesondere die Kompressorsportwagen mit dem Stern der Reihen K, S, SS, SSK und SSKL ab 1924.