Forschungsfahrzeug der besonderen Art: der C 112
Für die Rennsaison 1990 der Gruppe C stellt Mercedes-Benz zusammen mit dem schweizerischen Sauber-Team das Fahrzeug Sauber-Mercedes C 11 auf die Räder. Mit großem Erfolg: Am Ende der Saison gewinnt das Team die Weltmeisterschaft. Das spornt die Ingenieure bei Mercedes-Benz an. Sie suchen eine Möglichkeit, aktive Fahrdynamiksysteme für die Großserie zu erproben und konzipieren den Hochleistungssportwagen C 112. Vorgestellt wird der C 112 auf der IAA 1991 und damit vor 30 Jahren!
Er wird von einem 6,0-Liter-V12-Motor angetrieben, der 300 kW (408 PS) leistet sowie 580 Newtonmeter auf die Kurbelwelle stemmt. Diese Leistung soll bei höchster aktiver Sicherheit an der Grenze des Machbaren optimal auf die Straße gebracht werden. Die Höchstgeschwindigkeit sollte laut Werksangaben bei 310 KM/h liegen, begrenzt war das Fahrzeug allerdings auf die obligatorischen 250 KM/h.
Active Body Control steuert das Fahrwerk
So bietet der C 112 erstmals das aktive Fahrwerk Active Body Control (ABC): Jedes Rad ist mit einer Kombination aus Feder und hydraulischem Stellzylinder ausgestattet. Sensoren erfassen alle Fahrzeugbewegungen, etwa Hub, Wanken und Nicken. Um die Bewegungen zu eliminieren, werten Computer die Daten aus und steuern die aktiven Fahrwerkelemente entsprechend. Das Ergebnis: eine stabile Straßenlage, wie sie bisher nicht möglich gewesen ist. In Serie kommt das Fahrwerk z.B. beim CL der Baureihe C215.
Hinterradlenkung
Der Sportwagen ist mit einer aktiven Hinterradlenkung ausgestattet, wie sie jetzt beim aktuellen SL der Baureihe R232 im Jahre 2021 wieder zum Einsatz kommt. Sie korrigiert Kursabweichungen, die durch äußere Störeinflüsse, wie beispielsweise Spurrillen, Seitenwind oder Fahrbahnen mit wechselnder Griffigkeit verursacht werden können und erhält dem Fahrer das gewohnte Fahr- und Antriebsverhalten auch in kritischen Fahrsituationen, zum Beispiel bei Lastenwechsel in der Kurve. Ein Anti-Blockier-System (ABS) sowie eine Antriebs-Schlupf-Regelung (ASR) der neuesten Generation ergänzen die Technik.
Mit all diesen Ausstattungsmerkmalen bietet der C 112 ein neutrales Fahrverhalten selbst bei schneller Kurvenfahrt – unabhängig von der Beladung und dem Fahrbahnzustand.
Aktive Aerodynamik
Der C 112 bietet weitere Besonderheiten wie die aktive Aerodynamik. Der Bugflachspoiler und der Heckflügel sind stufenlos verstellbar und werden an die jeweilige Fahrsituation angepasst, um einen optimalen Kompromiss zwischen geringem Luftwiderstand einerseits und einen hohen Anpressdruck an den Boden andererseits zu gewährleisten.
So ruht der Heckflügel während des normalen Fahrbetriebs als integrierter Bestandteil in der hinteren Karosseriestruktur. In dieser Ruhelage hat das Auto den besten Luftwiderstandsbeiwert bei Auftriebsverhalten null. Anders zum Beispiel in schnell gefahrenen Kurven im kritischen Grenzbereich: Hier ermöglichen wesentlich größere Radaufstandskräfte eine entschieden höhere Querbeschleunigung und ein stabileres Fahrverhalten. Der Heckflügel fährt in solchen Fällen innerhalb einer Zehntelsekunde nach hinten oben aus und verändert im Extremfall auch noch den Anstellwinkel. Die Lippe des Bugflachspoilers arbeitet durch die Verstellung ihrer Tiefe entsprechend mit. Das System ermöglicht höhere Seitenführungskräfte und erweitert den fahrerischen Grenzbereich sofort.
Der Heckspoiler wird zudem genutzt, um die Notbremseigenschaften zu verbessern: Bei Bedarf stellt er sich blitzschnell in den Fahrtwind und hilft das Fahrzeug zu verzögern. Beim SLR McLaren ist das System dann 2003 wieder zu sehen. Zusätzlich verteilt das Bremssystem auf intelligente Weise den Bremsdruck zwischen Vorder- und Hinterachse, um eine optimale Verzögerung zu erzielen.
Noch mehr Zukunft…
Weitere im C 112 erprobte Technikkomponenten sind die Reifenluftdruck-Kontrolle, die bei plötzlichem Druckverlust eine Warnung an den Fahrer gibt, ein Abstandswarn-Radar für vorausfahrende Fahrzeuge (was mit der Distronic ab 1998 geordert werden kann) sowie teilweise neuartige Sensorsysteme für Lenkung, Kupplung, Bremse sowie Sitz- und Spiegelverstellung.
… und ein wenig Vergangenheit: die Flügeltüren
Als erstes Fahrzeug nach dem C 111 hat dieser Versuchsträger wieder Flügeltüren. Sie sind seit den 1950er-Jahren Symbol für Sportwagen aus dem Hause Mercedes-Benz – das 300 SL Coupé (Baureihen W 194, 1952, und W 198, 1954) hatte sie erstmals und ist gleichfalls ein Fahrzeug mit für die damalige Zeit herausragenden technischen Eigenschaften. Der C 112 mit seiner schnittigen Karosserie knüpft daran an.
Obwohl nach der Präsentation bereits 700 Blanko-Vorbestellungen vorlagen, entscheid man sich gegen eine Serienfertigung, der C 112 blieb ein reines Forschungsfahrzeug.
Das Technologie-Fahrzeug: C 112 – Pressefilm zur IAA’91
Auf dem Youtube-Kanal „AutoFilme“ habe ich noch ein Video der Daimler AG zur Präsentation des C 112 gefunden, in dem die Technik und die Besonderheiten gut erklärt sind. Ein sehr interessanter Film für’s kommende Wochenende (12 Min.) ohne allzuviel „Pathos“.