30 Jahre Mercedes-Benz SL Baureihe R 129

Mercedes-Benz 600 SL der Baureihe R 129. Das Topmodell hat 1992 Premiere (Bild: Daimler AG)

Jaaa, man wird alt. Ich kann mich noch gut erinnern, ich war gerade beim Ferienjob am Band, da hörte man in den Nachrichten, dass der letzte SL der Baureihe R107 nach sagenhaften 18 Jahren Produktionszeit vom Band gelaufen sei. Während meines ganzen Lebens war der R107 „der SL“, bei meinen Spielzeugautos, im Fernsehen (Hart aber Herzlich) – und nun sollte er die Bühne verlassen… Nunja, jedem Ende wohnt ein Anfang inne und so feierte  der Mercedes-Benz SL der Baureihe R 129 vor 30 Jahren auf dem Genfer Automobil-Salon Premiere. Innovationen wie den automatisch ausklappenden Überrollbügel, Integralsitze und das Adaptive Dämpfungssystem ADS bringt er in die Serie.

Was für uns aber viel wichtiger ist: er ist der erste Roadster, der ein vollständig per Knopfdruck versenkbares Dach hat – ohne dass man noch irgendwelche Sicherungshebel oder ähnliches betätigen muss. Damit ist er auch Basis für das, was im SLK als Dachkonstruktion folgen sollte…

Kunden und Fachwelt schätzen den neuen SL für sein hohes technisches Niveau ebenso wie für die Gestaltung. Bereits 1990 erhält er den Car Design Award für Serienfahrzeuge der Stadt Turin und der Region Piemont. Bruno Sacco, Direktor des Mercedes-Benz Designbereichs, nimmt den Preis entgehen. Das Design des SL trägt seine Handschrift – mit klaren Linien und Flächen ohne Schnörkel, einer leicht keilförmigen Karosserie und kraftvollen Akzenten.

Ausgereifte Entwicklung

Die Entwicklung des R 129 nimmt Mercedes-Benz bereits Mitte der 1970er-Jahre auf. Es gibt auch wieder Überlegungen zu einem vom offenen Sportwagen abgeleiteten Coupé, wie bei der Baureihe 107, das aber nicht realisiert wird. Dafür kommt dann mit dem „SEC“ wieder ein Coupé auf S-Klasse (126) Basis. Anfang der 1980er-Jahre nimmt die Arbeit deutlich an Fahrt auf. Das Modell, das im November 1981 im Windkanal vermessen wird, trägt bereits klar die gestalterische Handschrift der Ära von Bruno Sacco. Am 17. Oktober 1984 erhält der Roadster die Formfreigabe, und am 10. Dezember 1985 legt Mercedes-Benz fest, dass die Produktion der Baureihe R 129 im August 1988 beginnen soll.

Mercedes-Benz SL der Baureihe R 129. Arbeit an einem Tonmodell in der Entwicklung. Foto aus dem Jahr 1989 (Bild: Daimler AG)

Motoren für den Anfang

Zum Start des neuen Roadsters gibt es 1989 zwei Typen mit Dreiliter-Reihensechszylindermotor (300 SL mit 140 kW / 190 PS und 300 SL-24 mit 170 kW / 231 PS sowie Vierventiltechnik) und außerdem den Fünfliter-V8-Typ 500 SL mit 240 kW / 326 PS (ab 1992: 235 kW / 320 PS). Die Entwicklung eines Spitzenmodells mit V12-Motor gibt das Unternehmen im Dezember 1986 frei (erscheint 1992).

Innovationen für die Sicherheit

Bei offenen Fahrzeugen gibt es jedoch neben den herkömmlichen Unfallszenarien wegen des fehlenden festen Dachs ein zusätzliches Risiko bei einem Überschlag. Früh in der Entwicklungsphase denken die Väter der Baureihe R 129 daher über eine Targa-Lösung nach, in der die B-Säule zum festen Überrollbügel erweitert ist. Doch die klassische Linienführung des Roadsters wäre gestört.

Mercedes-Benz SL der Baureihe R 129, Unfallversuch mit Überschlag. Gut sichtbar ist der automatische Überrollbügel (Bild: Daimler AG)

Man findet eine ausgesprochen innovative Lösung: den automatischen Überrollbügel. Er feiert vor 30 Jahren im SL Weltpremiere. Eine zentrale Rolle spielt bei der Erfindung der Ingenieur Karl-Heinz Baumann. Die vorgespannte Feder-Dämpfer-Einheit richtet den Überrollbügel bei fahrkritischen Situationen in nur 0,3 Sekunden auf.

Eine weitere Innovation für die passive Sicherheit – und für den Komfort – sind die im R 129 erstmals von Mercedes-Benz verwirklichten, elektrisch verstellbaren Integralsitze. Darin sind jeweils das Dreipunkt-Gurtsystem mit Gurtaufroller und Gurtstraffer sowie die Gurthöhenverstellung und die damit gekoppelte Kopfstützenverstellung integriert.

Das Wichtigste: das Dach!

Viel Entwicklungsarbeit stecken die Ingenieure auch in das vollautomatische Stoffverdeck der Baureihe R 129. Es hat eine aufwendige Gestellkinematik, und das Steuergerät überwacht die Abläufe unter anderem mit 17 Endschaltern. Premiere hat im neuen SL auch das Windschott. Heute gehört diese Lösung zu den Standards für offene Fahrzeuge. Eine weitere Besonderheit ist das in späteren Jahren lieferbare Hardtop mit Panorama-Glasdach.

Fahrkomfort

Zum hohen Komfort trägt das moderne Fahrwerk bei. Dazu gehört das Adaptive Dämpfungs-System ADS, das im R 129 Weltpremiere hat. Es passt die Dämpfung vollautomatisch in Sekundenbruchteilen an den jeweiligen Fahrzustand an und ist mit einer automatischen Niveauregulierung gekoppelt.

Begehrt von Anfang an

Der SL stößt auf eine begeisterte Resonanz, und die Kunden schöpfen von Anfang an die im Werk Bremen vorhandene Produktionskapazität aus. In den ersten rund zweieinhalb Produktionsjahren laufen bis Dezember 1991 bereits 52.204 Fahrzeuge der Baureihe R 129 vom Band. 25.709 dieser Sportwagen werden allein im Jahr 1991 produziert. Mehr als ein Drittel davon (34,7 Prozent) gehen in den Export nach Nordamerika, Deutschland ist der zweitwichtigste Markt mit 30,4 Prozent.

SL 600

Im Sommer 1992 stellt Mercedes-Benz das neue Topmodell vor, den 600 SL mit V12-Motor und 290 kW (394 PS) Leistung. Es ist der erste SL überhaupt mit einem Zwölfzylindermotor. Seinen exklusiven Charakter unterstreicht das Interieur mit Wurzelholz und Leder. Außen verweisen nur das Typenschild und das V12-Emblem an den Luftauslassschlitzen auf die Top-Motorisierung.

Neue Nomenklatur: Facelift bei der Namensgebung

Die Neuorganisation der Mercedes-Benz Typbezeichnungen gilt ab Juli 1993 auch für den SL: Die Klassenbezeichnung steht nun vor der Ziffernfolge mit Bezug zur Motorgröße. Zugleich werden die beiden Dreiliter-Varianten 300 SL (der letzte SL mit dieser magischen Bezeichnung) und 300 SL-24 durch den SL 280 (142 kW / 193 PS) und den SL 320 (170 kW / 231 PS) abgelöst. Beide haben Vierventil-Sechszylindermotoren. Lediglich neue Namen bekommen der V8-Roadster SL 500 und das V12-Spitzenmodell SL 600. Zu diesem Zeitpunkt sind bereits 85.300 Fahrzeuge der Baureihe R 129 produziert worden, der SL ist damals das weltweit erfolgreichste offene Fahrzeug der Oberklasse.

Sondermodelle vor dem Facelift

Sondermodelle beflügeln in den 1990er-Jahren den Erfolg der Baureihe R 129 zusätzlich. So entsteht aus der direkten Zusammenarbeit von Mercedes-Benz mit AMG im Jahr 1993 als neues Topmodell der SL 60 AMG mit 280 kW (381 PS) Leistung. Zwischen 1994 und 2001 entstehen insgesamt 20 Sonderserien in unterschiedlichen Auflagen, die sich zwischen zehn und 1.515 Fahrzeugen bewegen. Zu den begehrten Sondermodellen gehören beispielsweise die Mille-Miglia-Edition und die Special Edition.

Modellpflege für den SL

Zur IAA 1995 stellt die Stuttgarter Marke den überarbeiteten SL vor. Äußerlich ist er am Kühlergrill mit sechs Lamellen, durchgehend weißen Leuchteinheiten vorn, bichromatischen Heckleuchten und neuen Seitenwandverkleidungen zu erkennen. Zu den technischen Änderungen gehört das neue, elektronisch gesteuerte Fünfgang-Automatikgetriebe in 500 SL und 600 SL. Unter der Überschrift „Licht aus Gas“ stellt Mercedes-Benz die neuen Xenon-Scheinwerfer vor. Der Lichtstrom der Gasentladungslampen ist doppelt so hoch wie jener von herkömmlichen Halogenlampen.

Mercedes-Benz SL der Baureihe R 129, Sondermodell „Special Edition“ aus dem Jahr 1998 (Bild: Daimler AG)

Technik für das neue Jahrtausend

Der SL wird kontinuierlich weiterentwickelt. So erhalten beispielsweise alle Typen des Roadsters ab Dezember 1997 den Bremsassistenten BAS. Im April 1998 stellt Mercedes-Benz auf dem Turiner Autosalon den erneut aktualisierten SL vor. Zur Modellpflege gehören unter anderem neue V6-Motoren in den Typen SL 280 (150 kW / 204 PS) und SL 320 (170 kW / 231 PS) sowie ein neuer V8-Motor im SL 500 (225 kW / 306 PS). Veränderungen im Exterieur sind Aluminium-Fünflochräder, das sichtbare Auspuffendrohr, Außenspiegel in einer an den SLK der Baureihe R 170 angeglichenen Form sowie Türgriffe und Schließzylinder in Wagenfarbe. Innen fallen das neue Vierspeichen-Lenkrad, Anzeigeninstrumente mit Chromrahmen und die serienmäßige Nappa-Lederausstattung auf.

Mercedes-Benz SL 60 AMG der Baureihe R 129. Der Typ ist die erste AMG-Variante, die aus der direkten Zusammenarbeit von Mercedes-Benz und AMG hervorgeht (Bild: Daimler AG)

Update 1997

1999 folgen zwei AMG-Varianten des aktualisierten SL. Der SL 55 AMG erhält den in anderen Baureihen bereits etablierten 5,5-Liter-V8-Motor (260 kW / 354 PS). Der SL 73 AMG fährt hingegen mit seinem V12-Motor und 386 kW (525 PS) in eine neue Leistungsdimension. Eine Besonderheit der AMG-Typen ist neben sportlicher Optik die Mischbereifung mit hinten breiteren Aluminiumrädern und Reifen.

Die Produktion des eleganten Roadsters endet 2001. Insgesamt werden in zwölf Jahren Bauzeit 204.940 Fahrzeuge produziert. Der erfolgreichste Typ ist mit fast 80.000 Exemplaren der 500 SL / SL 500 mit Vierventilmotor.