Solitude Revival 2015: Erinnerung an Rundenrekord von Hans Herrmann im Oktober 1953
Ein außergewöhnliches Einzelstück aus der Sammlung von Mercedes-Benz Classic geht beim Solitude Revival 2015 an den Start: der Mercedes-Benz 300 SL mit der Chassis-Endnummer 00011/53, wegen seines markanten Frontdesigns „Hobel“ genannt. Die Veranstaltung findet vom 17. bis 19. Juli 2015 statt.
Der legendäre Solitude-Ring ist eine der bedeutenden deutschen Strecken für Auto- und Motorradwettbewerbe. Bis 1965 finden dort Rennen statt, bis hin zu Formel-1-Läufen in den 1960er-Jahren. „Die Solitude“, wie der kurvige Berg- und Tal-Dreieckskurs nach dem unweit davon gelegenen württembergischen Schloss kurz genannt wird, hat auch für Mercedes-Benz eine starke Bedeutung: Die Marke schickt schon vor dem Zweiten Weltkrieg ihre besten Rennwagen und Fahrer auf die Strecke. 1926 hat Alfred Neubauer dort seinen ersten Auftritt als Rennleiter. Und in den 1950er-Jahren wird die „Solitude“ für Rennwagenerprobungen und die Fahrerausbildung genutzt.
Nach einer sehr erfolgreichen Saison 1952 im 300 SL (W194) beschließt der Vorstand, im Jahr 1953 direkt an diese Bilanz anzuknüpfen. So fällt die Entscheidung, ein verbessertes Fahrzeug zu entwickeln. Der Prototyp erhält die Chassis-Endnummer 00011/53 und ist im Vergleich zum ursprünglichen 300 SL Rennsportwagen in vielen Punkten optimiert, um die Fahrleistung zu steigern. So bietet der Motor dank der neu eingebauten Benzindirekteinspritzung 215 PS (158 kW), gut 40 PS (29 kW) mehr als die vergaserbestückte Urversion. Zudem wird das Getriebe in Transaxle-Anordnung untergebracht, erstmals eine Eingelenk-Pendelachse eingesetzt, die Kühlluftführung geändert, das Fahrzeug insgesamt im Gewicht erleichtert sowie das Fahrwerk überarbeitet. Und die Entwickler verringern die Stirnfläche. Diese geänderte Frontgestaltung bringt dem Fahrzeug den Spitznamen „Hobel“ ein. Das Fahrzeug ist konkurrenzfähig und Anfang 1953 fertig. Doch dann beschließt das Unternehmen, ab 1954 wieder im Grand-Prix-Sport anzutreten und mit einem völlig neu zu entwickelnden Rennwagen in der Formel 1 zu starten. Diesem Ziel werden alle anderen Motorsportaktivitäten untergeordnet, so dass das geplante Rennsportengagement für 1953 entfällt und der „Hobel“ nie im Wettbewerb eingesetzt wird. Stattdessen ist er aufgrund des Einspritzmotors eine wichtige Hinführung zum Seriensportwagen 300 SL „Gullwing“ (W 198), der ab 1954 gebaut wird.
Der „Hobel“ ist seit 1952 ununterbrochen in Werksbesitz.
Der „Hobel“ auf der Solitude – und Hans Herrmann brilliert
12. Oktober 1953. Mercedes-Benz lässt den Solitude-Ring einen ganzen Tag für Probefahrten reservieren, auch um den Fahrern eine Trainingsmöglichkeit für die Saison 1954 zu geben. Da die Strecke auf normalen Verkehrsstraßen verläuft, übernehmen 150 Polizisten die Absperrung. Zwei 300 SL stehen zur Verfügung: ein Rennsportwagen der Saison 1952 und das Fahrzeug mit der Chassis-Endnummer 00011/53. Start und Ziel ist beim Glemseck. Rennleiter Alfred Neubauer läuft wie bei einem Rennen zur Hochform auf: Reifen, Treibstofftonnen, Signalflaggen, Zeitnahme werden aufgeboten, Mechaniker und Ingenieure sind anwesend, dazu Fotografen und Sanitäter. Eine perfekte Organisation für einen Trainingstag.
Die schnellste Runde stellt der jüngste Fahrer auf: Hans Herrmann umrundet den 11,7 Kilometer langen Kurs in 4 Minuten und 52 Sekunden und deklassiert damit deutlich arriviertere Fahrer: Karl Kling (5:17 Minuten), Hermann Lang (5:10 Minuten), Fritz Rieß (5:07 Minuten) sowie Versuchs-Chef Rudolf Uhlenhaut (5:03 Minuten). „Überraschend wiederum war die Fahrleistung unseres Nachwuchsfahrers Hans Herrmann, der Einzige, der die Fünf-Minuten-Grenze unterschritt und den offiziellen Rundenrekord von Motorradfahrer Kavanagh schlug“, vermerkt Neubauer in seinem Bericht – und sichert der Marke auch aufgrund dieser außergewöhnlichen Schnellfahrt das junge Talent für die Saison 1954.
Bis heute ist Hans Herrmann den Fahrzeugen mit dem Stern eng verbunden. Als einer der Markenbotschafter von Mercedes-Benz Classic geht er immer wieder bei namhaften Veranstaltungen am Steuer historischer Rennwagen an den Start.
Solitude Revival 2015
Mercedes-Benz Classic wird den 300 SL „Hobel“ beim Solitude Revival 2015 am Samstag, 18. Juli über die legendäre Strecke bewegen. Am Freitag (17. Juli) und am Sonntag (19. Juli) ist das Fahrzeug im Fahrerlager ausgestellt und kann ausführlich bewundert werden.
Das Solitude Revival wurde 2008 erstmals ausgerichtet. Drei Jahre später folgte die nächste Auflage, seither geht die Veranstaltung alle zwei Jahre an den Start – auf der Strecke, die heute noch so original wie vor 50 Jahren existiert. Einzige Zulassungsvoraussetzung für die Teilnehmer: Die Fahrzeuge müssen vor dem 31. Dezember 1975 gebaut worden sein. Das und die Anwesenheit von herausragenden Rennwagen und Rennfahrern garantieren ein außergewöhnliches rollendes Museum. Höhepunkt ist ein Rennen über 12 Runden und insgesamt 140 Kilometer. Ein umfangreiches Begleitprogramm macht die Veranstaltung komplett.
Technische Daten Mercedes-Benz 300 SL Rennsport-Prototyp (W 194)
Zylinder: 6/Reihe
Hubraum: 2.996 Kubikzentimeter
Leistung: 158 kW (215 PS)
Höchstgeschwindigkeit: 250 km/h
(Quelle: Daimler AG)
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