Vor 50 Jahren: Premiere Mercedes-Benz 300 SEL 6.3

Auf dem Automobil-Salon Genf im März 1968 sorgt Mercedes-Benz mit dem 300 SEL 6.3 (W 109) für Furore. Denn das neue Oberklasse-Spitzenmodell der Stuttgarter Marke mit V8-Motor bietet Fahrleistungen auf Sportwagenniveau: 6,5 Sekunden für den Sprint von 0 auf 100 km/h und eine Höchstgeschwindigkeit von 220 km/h sind Topwerte. Hinzu kommen eine umfangreiche Serienausstattung und der Komfort eines Mercedes-Benz. Der 300 SEL 6.3 gehört längst zu den begehrtesten Sammlerstücken der Marke mit dem Stern.

Mercedes-Benz 300 SEL 6.3 (W 109), 1968 bis 1972 (Bild: Daimler AG)

Auf den Schlüsseldreh meldet sich der V8-Motor sanft grollend bereit. 184 kW (250 PS) bei 4.000 U/min treffen auf ein Leergewicht von 1.780 Kilogramm – eine vorzügliche Relation. Das sanfte Tippen aufs Gaspedal entfaltet die Kraft, und innerhalb von Sekunden ist die Limousine auf der leeren Landstraße in ihrem Element: Sie freut sich auf jede Kurve, beschleunigt mühelos hinaus und gleitet kraftvoll durch den nächsten geraden Streckenabschnitt. Das große Lenkrad mit seinem schmalen Kranz, beim Start noch etwas ungewohnt, macht das Dirigieren des „6.3“ auch dank Servounterstützung zu einer höchst angenehmen Übung. Dabei überzeugt die Limousine nicht allein mit Leistung und perfekter Bedienbarkeit, sondern auch mit höchstem Komfort, großzügigen Platzverhältnissen und angenehmem Ambiente. Kein Wunder, dass der 300 SEL 6.3, der 1968 als Spitzenmodell die Baureihe W 109 nach oben abrundet, seinerzeit Maßstäbe setzt. Er gilt als Urvater aller Mercedes-Benz Hochleistungslimousinen.

Mercedes-Benz 300 SEL 6.3 (W 109), 1968 bis 1972 (Bild: Daimler AG)

Äußerlich unterscheidet sich die Limousine kaum von den anderen Fahrzeugen der Baureihe W 108/109. Nur der Schriftzug „6.3“ auf der rechten Seite des Kofferraumdeckels, Halogen-Doppelscheinwerfer mit neuester Leuchtentechnik und dazu Nebel-Zusatzscheinwerfer geben Hinweise auf das neue Spitzenmodell – es bleibt äußerst dezent.

Die technischen Daten untermauern jedoch eindrücklich das Sportwagenniveau, auf dem sich die Limousine bewegt. Die Höchstgeschwindigkeit beträgt 220 km/h. Das Fahrzeug beschleunigt in 6,5 Sekunden von 0 auf 100 km/h und legt einen Kilometer mit stehendem Start in 27,1 Sekunden zurück. „

Das Fachmagazin „auto, motor und sport“ berichtet in Heft 6/1968 über den Mercedes-Benz 300 SEL 6.3: „Wir übernahmen eines der sorgfältig gehüteten ersten Exemplare, das noch nicht mit der Bezeichnung ‚6.3‘ verziert war. Das Fehlen dieser Bezeichnung hat zweifelsohne einige Porsche 911- und 911 S-Fahrer in Verwirrung gebracht, die – sonst Könige der Autobahn – von dem harmlos-distinguiert aussehenden Mercedes abgehängt wurden. Falls einer von ihnen zufällig diese Zeilen lesen sollte: Er braucht sein Fahrzeug nicht wegen mangelhafter Leistung beim Werk zu reklamieren.“

Im Interieur unterscheiden ein Tachometer mit größerem Messbereich, ein serienmäßiger Drehzahlmesser und eine andere Anordnung der Zeituhr den „6.3er“ vom 300 SEL. Dessen Fahrwerk mit Luftfederung und automatischer Niveauregulierung liefert eine vorzügliche Basis auch für das Hochleistungsmodell: Es stellt sich automatisch auf wechselnde Belastung ein. Die Federwege und damit auch die Fahrzeuglage bleiben stets konstant – was den Fahrkomfort wesentlich erhöht. Für eine optimale Verzögerung sorgen innenbelüftete Scheibenbremsen an allen vier Rädern. Zur weiteren umfangreichen Serienausstattung gehören außerdem Servolenkung, ein sanft und schnell schaltendes Viergang-Automatikgetriebe, ein Sperrdifferenzial, elektrische Fensterheber und eine pneumatische Zentralverriegelung.

Eine Idee von Erich Waxenberger

Der 300 SEL 6.3 geht zurück auf eine Idee des Mercedes-Benz Versuchsingenieurs Erich Waxenberger. Er erkennt in den 1960er-Jahren das Potenzial des V8-Motors aus dem Typ 600 auch für die Baureihe W 109. Zunächst ohne Wissen des Pkw-Entwicklungschefs Rudolf Uhlenhaut baut er ein Erprobungsfahrzeug auf. Doch dem bleibt das Tun nicht lange verborgen: Er hört den an seinem Büro mit dezentem Motorgrollen vorbeifahrenden Prototypen, beordert Waxenberger umgehend zum Rapport – und lässt diesen für die Weiterentwicklung gewähren. Wer Uhlenhaut kennt, darf sich ein feines Lächeln auf den Lippen vorstellen, als er den offiziellen Auftrag gibt.

Bis 1972 werden insgesamt 6.526 Exemplare gebaut. Diese für damalige Verhältnisse vergleichsweise große Stückzahl markiert den Aufbruch von Mercedes-Benz ins Segment der Power-Limousinen.

„Über viele Jahre stand der 300 SEL 6.3 für Sammler zwar weniger im Fokus, doch das hat sich geändert. Heute ist er sehr begehrt, und die Preise für die verfügbaren Fahrzeuge haben deutlich angezogen“, sagt Patrik Gottwick, bei Mercedes-Benz Classic für den Fahrzeughandel ALL TIME STARS verantwortlich. „Ein gutes Fahrzeug in der Zustandsnote 2 kostet derzeit ab 80.000 Euro.“