Der neue Prüfzyklus WLTP: Näher am Realverbrauch

WLTP? MfG! NEFZ? Gesundheit! RDS? Ja, hat mein Radio schon lange!

In diesen Tagen wird viel über die Testmethoden diskutiert, mit denen die Herstellerangaben unserer Autos gemessen werden. Und nun soll ein neuer Standard kommen – was verbirgt sich dahinter und wie kam es überhaupt zum heutigen Verfahren, das so in der Kritik steht? Und was soll kommen?

Vor 1992: Der „Euromix“

Dieser brachte zwar eine erste Norm, aber Konstantfahrten bei 90 und 120 km/h waren auch damals schon so weit von der Realität entfernt, dass man seitens der Europäischen Kommission beschloss, einen einheitliche Norm zu schaffen:

Den NEFZ

Der  Neue Europäische Fahrzyklus war ein echter Fortschritt gegenüber den Konstantfahrten. Auf normierten Prüfständen wurden bestimmte Fahrzyklen getestet – und damit waren die Ergebnisse, wie auch immer falsch oder richtig sie waren und sind, über alle Hersteller hinweg vergleich- und reproduzierbar. Da inzwischen die Verbrauchs- und Abgaswerte nicht mehr nur dem Marketing der Hersteller dienen, ist das NEFZ Verfahren in die Kritik geraten. Es soll daher ab 2017 ein neues Verfahren für Verbrauchs- und Abgastests eingeführt werden.

Außerdem war diese Norm nur in Europa gültig – auch das wurde zusehends zum Problem für globale Autohersteller.

Ab 2017 der WLTP-Zyklus

Der WLTP-Zyklus (Worldwide Harmonized Light Vehicle Test Procedure) hat nun die weltweite Harmonisierung der Testverfahren zum Ziel. Er soll näher am realen Fahrgeschehen orientierte Testergebnisse liefern

Im Gegensatz zum NEFZ soll beim neuen Test zum Beispiel der Effekt der Aerodynamik eines Pkw eine größere Rolle spielen, denn das ist bei den vergleichsweise geringen Geschwindigkeiten im NEFZ unterrepräsentiert.

Der WLTP im Vergleich zum NEFZ

Zyklus WLTP NEFZ
Starttemperatur kalt kalt
Zykluszeit/Dauer min 30 20
Standzeit Anteil % 13 25
Zykluslänge km 23,5 11
Geschwindigkeit/mittel km/h 46,6 34
Geschwindigkeit/max. km/h 131 120
Antriebsleistung/mittel kW 7 4
Antriebsleistung/max. kW 47 34
Sonderausstattungen des individuellen Modells werden berücksichtigt für Gewicht, Aerodynamik, Rollwiderstand nur Räder & Reifen
Klimatisierung nein nein
Testtemperatur °C 23 25 +/- 5
Temperatur zusätzlicher EU-Test °C 14
Testgewicht Fahrzeuggewicht plus repräsentative Zuladung Schwungmassenklasse
Weitere Änderungen gegenüber NEFZ bei Vorkonditionierung, Fahrwiderständen, Plug‑In Hybriden

Grenzen eines einheitlichen Zyklus: Zwischen lokal und global

Der WLTP ist näher am realen Verkehrsgeschehen und bietet eine genauere Testmethode als der aktuelle NEFZ. Er definiert eindeutige Testrandbedingungen und schafft dadurch genauere, konsistentere und wiederholbarere Ergebnisse. Dennoch: Mit keinem genormten Zyklus lässt sich die Bandbreite der realen Verbräuche und Emissionen auf der Welt komplett abdecken. Zu unterschiedlich sind beispielsweise die klimatischen Bedingungen zwischen den tropischen Verhältnissen in Asien und den langen Wintern in Russland. Hinzu kommen jahreszeitliche Schwankungen.
Verkehrsverhältnisse und Verkehrsdichte in Mega-Metropolen, verglichen mit wenig befahrenen Autobahnen oder Landstraßen.
Straßenprofile von den Bergregionen der Schweiz bis zur norddeutschen Tiefebene.
Fahrzeuge – von Basis-Kleinwagen in Indien bis hin zu ausgewachsenen SUV und Pick-ups.
Fahrergewohnheiten und –temperamente. Nutzung von Nebenverbrauchern wie Klimaanlage oder Beleuchtung.

Zukünftig in Europa? RDE

Zusätzlich soll in Europa ein Messverfahren für die Real Driving Emissions (RDE) eingeführt werden, was ebenfalls von Mercedes-Benz aktiv unterstützt wird. Dabei werden mit mobiler Messtechnik (Portable Emissions Measurement System, PEMS) die Schadstoffemissionen während des realen Fahrbetriebs gemessen.

Umrechnung NEFZ in WLTP

Die europäische Gesetzgebung gibt anspruchsvolle Ziele für die weitere Senkung von Verbrauch und CO2-Emission im Straßenverkehr vor: Bis 2020 soll der durchschnittliche Ausstoß der Neuwagenflotte auf 95 g CO2/km sinken (entspricht 4,0 Liter Benzin oder 3,5 l Diesel/100 km) – gemessen nach NEFZ. Das Umrechnungsverfahren der NEFZ-Ziele in zukünftige gültige WLTP-Ziele wird derzeit unter Federführung der EU-Kommission erarbeitet. Dabei gilt der Grundsatz der „comparable stringency“, was bedeutet, dass es durch die Einführung des WLTP zu keiner Zielverschärfung für die Hersteller kommen soll.

Offenlegen der Software durch die Hersteller?

Bei der aktuellen Debatte um die Codierung eines Apple Telefons kommen mir Zweifel, ob und in wie weit auf Fahrzeugdaten zugegriffen werden sollte. Natürlich sollte man den Telefonverkehr eines Terroristen ebenso einsehen können wie ein Prüfer ob eventuell Schummelsoftware an Bord ist – aber sollte man staatlichen Stellen damit eine „Hintertür“ programmieren, mit der auf alle Daten zugegriffen werden kann? Ganz zu schweigen von Hacker-Angriffen, die in einem autonom fahrenden Auto ganz „tolle“ Sachen veranstalten können.

Hier wird es auf jeden Fall gut sein, erst zu denken und zu diskutieren und dann eine neue Norm zu schaffen – denn die Fahrdaten im Individualverkehr sollten auch individuelles Recht bleiben und nicht frei zugänglich.

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