Neue Messverfahren: WLTP und RDE – was bitte ist das?

Viele Begriffe und Regeländerungen stehen bei der Angabe von Verbrauchswerten ins Haus. Aber welche? Und am wann? Ich habe mal versucht, die Bedingungen und Abkürzungen in einen Artikel zu pressen und ein paar häufig gestellte Fragen zu beantworten. Und ja, trotz aller Kürzung ist das Teil zwar recht lang, aber auch interessant zu wissen….

Bis zum Herbst 2018 stellt Mercedes-Benz nun zum Beispiel sein Pkw-Portfolio sukzessive auf WLTP (Worldwide Harmonized Light Vehicles Test Procedure) um. Der WLTP liefert näher am Fahrgeschehen orientierte Testergebnisse als der seit 1992 geltende NEFZ (Neuer Europäischer Fahrzyklus). Als erster Mercedes-Benz ist der neue CLS nach WLTP in der Emissionsstufe Euro 6d-TEMP zertifiziert. Dazu musste auch die Einhaltung der Grenzwerte im so genannten RDE-Straßentest (Real Driving Emissions) nachgewiesen werden.

Und das bedeuten diese Kürzel….

Unterwegs im Namen des WLTP-Zyklus (Worldwide Harmonized Light Vehicles Test Procedure). Der neue CLS (Bild: Daimler AG)

WLTP

Die Abkürzung steht für Worldwide Harmonized Light Vehicle Test Procedure.

Zielsetzung war es beim Entwicklungsstart 2007, auf Basis realistischer Fahrdaten einen weltweit gültigen Prüfzyklus zu definieren. Damit sollte u.a. die Vergleichbarkeit von Fahrzeugen verbessert werden.

Das Ziel einer weltweiten Harmonisierung wurde nicht wirklich erreicht: Der WLTP gilt in der EU, Großbritannien, Norwegen, Island, Schweiz, Lichtenstein, Türkei und Israel sowie modifiziert in Japan und für Dieselfahrzeuge in Südkorea. Russland, Australien und eine Reihe von Staaten im Mittleren Osten, Asien sowie in Südamerika bleiben beim NEFZ; die USA, Brasilien und weitere Staaten haben andere Zyklen. China verwendet für die neueste Emissionsstufe den WLTP als Testverfahren. Für die Verbrauchsermittlung wird dort heute der NEFZ verwendet, für die Zukunft ist aber ein eigenes Messverfahren geplant.

Dieses Prüfverfahren ermittelt Verbrauchs- und Abgaswerte eines Fahrzeugs auf einem Rollenprüfstand. Der WLTP ist durch seine dynamische Ausrichtung deutlich näher am tatsächlichen Fahrgeschehen als bisher. Gleichzeitig sind viele Anforderungen z. B. an die Ermittlung von Fahrwiderständen oder die Durchführung des Rollentests gegenüber dem NEFZ deutlich verschärft worden. Insbesondere diese geänderten Randbedingungen führen zu einem numerischen Anstieg der CO2-Werte, obwohl sich die Effizienz der Fahrzeuge durch das neue Messverfahren nicht ändert.

NEFZ

Bisher wurden Abgas- und Verbrauchswerte in Europa nach dem NEFZ (Neuer Europäischer Fahrzyklus) ermittelt. Mit dem Ziel, Kunden herstellerübergreifend vergleich- und reproduzierbare Werte zur Verfügung zu stellen, trat 1970 der erste europäische Fahrzyklus in Kraft. 1992 wurde dieser über den Stadtverkehr hinaus erweitert. Seit der Berücksichtigung des Kaltstartanteils im Jahr 2000 wurde der NEFZ nicht mehr grundlegend verändert. Bis Ende 2020 werden für jedes Neufahrzeug weiterhin NEFZ-Werte parallel zu den WLTP-Werten ermittelt, um die Flottenzielerreichung überprüfen zu können.

Euro 6d-TEMP

Die Europäische Union legt in Verordnungen die Emissionsgrenzwerte für Kraftfahrzeuge fest. In der Emissionsstufe Euro 6d-TEMP sind in einer RDE-Fahrt sowohl die Euro 6-Stickoxidgrenzwerte als auch die Euro 6-Grenzen für die Partikelanzahl unter Berücksichtigung gesetzlich definierter Konformitätsfaktoren zu bestätigen. Weiterhin sind wie in der Emissionsstufe Euro 6c die Euro 6-Grenzwerte auch im Labor gemessen nach WLTP zu bestätigen. Euro 6d-TEMP gilt für neue Emissions-Typen seit dem 1.9.2017, für alle Neuzulassungen ab dem 1.9.2019. Ab 2020 sind Emissionen nach dem Nachfolgestandard Euro 6d zu ermitteln.

RDE: Realistische Überprüfung der Laborwerte

Der RDE-Test soll eine Überprüfung der Schadstoffemissionen im realen Fahrbetrieb ermöglichen. Im Gegensatz zur Laboruntersuchung folgt der RDE-Test keinem festgelegten Fahrzyklus. Vielmehr wird das Emissionsverhalten unter realen Fahrbedingungen mit gesetzlich definierten zulässigen Umgebungsbedingungen überprüft.

Für den RDE-Test werden die Fahrzeuge mit einem sogenannten PEMS-Gerät (Portable Emission Measurement System) zur mobilen Emissionsmessung ausgerüstet. Die Funktionsweise: Über eine Sonde werden während der Fahrt die Abgase in einen „Messkoffer“ geleitet. Messinstrumente analysieren unter anderem den Gehalt an Kohlenmonoxid, Stickoxiden (NOx) und Partikelanzahl (PN). Die Werte werden zusammen mit weiteren Parametern wie Wetter- und GPS-Daten aufgezeichnet.

Für Fahrzeuge, die eine RDE-Fahrt im Rahmen der Emissionsnorm Euro 6d-TEMP absolvieren, sind die Emissionsgrenzwerte der Norm Euro 6 zzgl. sogenannter Konformitätsfaktoren einzuhalten. Für Stickoxide liegt dieser Konformitätsfaktor in der RDE Phase 1 (Euro 6d-TEMP) bei 2,1, für die Partikelanzahl bei 1,0 – hier kommt eine zusätzliche Toleranz von 0,5 hinzu, die Schwankungen in den Messgeräten abbildet. In der RDE Stufe 2, die für Neutypen ab dem 1. Januar 2020 bzw. für alle Neuzulassungen ab dem 1. Januar 2021 gilt, liegt der Faktor für Stickoxide ebenfalls bei 1,0 zzgl. einer Toleranz von 0,5 für die Messtechnik.

Die gesetzlich definierten zulässigen Bandbreiten für eine RDE-Fahrt decken ein weites Anwendungsfeld ab, z. B. sind Geschwindigkeiten bis zu 160 km/h, Temperaturen bis 0°C und die Fahrt im Gebirge gültig. Darüber hinaus gibt es einen erweiterten Anwendungsbereich mit Temperaturen im Minusbereich bzw. bis zu 35°C und einer geografischen Höhe von bis zu 1.300 m. Auch bei den maximalen Beschleunigungen während der Messfahrt sind gesetzliche Randbedingungen zu beachten.

Die Grenzwerte sind mit entsprechenden Konformitätsfaktoren einzuhalten. Für den erweiterten Anwendungsbereich gelten eigene Faktoren.

Amtliche Messinstitute, aber auch z. B. private Umweltorganisationen werden zukünftig ebenfalls eigene RDE-Tests innerhalb der erwähnten Randbedingungen durchführen können.

Randbedingungen (Beispiele)

  • Fahrtdauer zwischen 90 und 120 Minuten
  • Geschwindigkeitsbasierte Aufteilung der Fahrt in 34 Prozent Stadt (aber mindestens 29 Prozent der Fahrtstrecke), 33 Prozent Überland und 33 Prozent Autobahn. Um den wechselnden Verkehrs­verhältnissen Rechnung zu tragen, ist bei diesen Werten eine Toleranz von +/- 10 Prozent erlaubt.
  • Die jeweilige Strecke (Stadt/Land/Autobahn) muss mindestens 16 km lang sein.
  • Die Geschwindigkeitsbereiche liegen
  • in der Stadt bei 0 bis 60 km/h (Durchschnittsgeschwindigkeit 15-40 km/h); zulässig sind mehrere Stoppphasen von 10 Sekunden und länger (max. 300 Sekunden); die Stoppphasen dürfen 6 – 30 Prozent (zeitbasiert) betragen.
  • bei Überlandfahrt bei 60 bis 90 km/h
  • auf der Autobahn zwischen 90 und maximal 160 km/h.
  • Die Höhendifferenz zwischen Start- und Endpunkt der Fahrt darf höchstens 100 Meter betragen, pro 100 km dürfen kumuliert höchstens 1.200 Höhenmeter erreicht werden; die maximale absolute Höhe beträgt 1.300 Meter.
  • Das Gewicht des Fahrzeugs kann maximal 90 Prozent der Summe der „Masse der Passagiere“ und der „Nutzlast“ betragen.
  • Die Umgebungstemperatur darf zwischen -7°C und +35°C liegen.

Was sich beim Testen ändert

Der Aufwand für eine Zertifizierung nach WLTP ist etwa doppelt so hoch wie nach NEFZ. Die sehr umfangreiche Verordnung dazu (über 700 Seiten) enthält viele verschiedene Einzeltests und ganz neue Vorgehensweisen. Die Anforderungen an die Testdurchführung, die Ergebnisauswertung und ihre Dokumentation sind deutlich höher. Ebenso ist der Aufwand für jede einzelne Prüfung stark gestiegen.

  • Im Vergleich zum NEFZ dauert der WLTP-Fahrzyklus zehn Minuten länger (30 Minuten statt 20).
  • Der Anteil der Standzeit beträgt nur noch 13 Prozent (NEFZ: 23,7 Prozent).
  • Die gesamte Zykluslänge beträgt ca. 23 Kilometer (NEFZ: 11 Kilometer).
  • Der WLTP beinhaltet höhere Geschwindigkeiten bis 131 km/h (NEFZ: 120 km/h).
  • Das Durchschnittstempo steigt auf 46 km/h (NEFZ: 34 km/h).

Das Fahrprofil im WLTP ist deutlich dynamischer, d. h. die Geschwindigkeitsänderungen fallen größer aus als im NEFZ. Der NEFZ besitzt einen hohen Anteil an Fahrten mit konstanter Geschwindigkeit (40 Prozent) und einen vergleichsweise geringen Anteil an Beschleunigungsfahrt (21 Prozent). Er setzt sich aus einem inner- und einem außerstädtischen Anteil zusammen. Der neue WLTP kennt hingegen vier unterschiedliche Phasen: bis 60, bis 80, bis 100 und über 130 km/h. Sie dienen der Simulation von Stadt-, Überland- und Autobahnfahrten.

Die Prüfvorgaben sind deutlich enger. So ist beispielsweise die Temperatur beim Test auf 23°C festgelegt, beim NEFZ konnte sie zwischen 20 und 30°C liegen. Hinzu kommt in Europa beim WLTP ein Test bei der europäischen Durchschnittstemperatur von 14°C.

Eine größere Änderung bedeutet die WLTP-Einführung für Plug-in-Hybridfahrzeuge. Diese können extern elektrisch aufgeladen werden. Diese Fahrzeuge fahren den Test mehrmals. Gestartet wird mit voller Batterie. Der Zyklus wird so oft wiederholt, bis die Batterie leer ist. Anschließend erfolgt noch eine Messung mit leerer Batterie, bei der die Antriebsenergie ausschließlich vom Verbrennungsmotor und der Bremsenergierückgewinnung stammt. Aus diesen beiden Messungen wird der auszuweisende CO2-Wert berechnet, indem die beiden Ergebnisse abhängig von der elektrischen Reichweite ins Verhältnis gesetzt werden.

Darüber hinaus wird nicht mehr wie bislang nur die Basisvariante eines Modells getestet, sondern es werden Sonderausstattungen berücksichtigt. So kann man beim Vergleich zweier Fahrzeuge anhand der individuellen WLTP-Werte nachvollziehen, um wie viel z. B. ein Schiebedach den Verbrauch erhöht.

Voraussichtlich ab September 2018 werden in Deutschland die neuen WLTP-Werte in Prospekten und allen weiteren Publikationen angegeben.

Fragen und Antworten zum Thema

Ändert sich durch den neuen Testzyklus das Verbrauchsverhalten der Fahrzeuge?

Nein. Die Effizienz der Fahrzeuge verändert sich durch die Umstellung auf das neue Messverfahren WLTP nicht. Die im WLTP ermittelten Werte verkleinern jedoch die Differenz zwischen den bisherigen Verbrauchswerten nach NEFZ und Werten aus Straßentests. Dank WLTP lässt sich somit vor dem Kauf eines Fahrzeugs anhand der individuellen Fahrzeugwerte besser abschätzen, wie hoch der Verbrauch bzw. der CO2-Ausstoß des Fahrzeugs im Mittel sein wird – auch unter Berücksichtigung von Sonderausstattungen. So lassen sich Fahrzeuge auch besser vergleichen.

Wird WLTP zu höheren Verbrauchs- und CO2-Angaben führen?

Ja, bei Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor ist auf dem Papier mit höheren Verbrauchs- und CO2-Werten zu rechnen. Bei Elektrofahrzeugen wird sich die Reichweitenangabe reduzieren. Am tatsächlichen Verbrauch im Kundenbetrieb ändert sich nichts, da sich die Fahrzeuge durch die Umstellung auf das neue Messverfahren nicht ändern.

In welchem Maße werden Verbrauchs- und CO2-Angaben steigen?

Im Zuge der Umstellung von NEFZ zu WLTP ist laut VDA von einem Anstieg der Verbrauchs-/CO2-Angaben von durchschnittlich 20 Prozent gegenüber den bisherigen NEFZ-Werten auszugehen.

Entsprechen die WLTP-Werte jetzt endlich dem tatsächlichen Verbrauch?

Der WLTP verkleinert die Differenz zwischen den Prospektangaben und den durchschnittlichen Verbrauchswerten auf Kundenseite. Aber auch die WLTP-Werte werden im Labor unter festgelegten Testanforderungen ermittelt, damit sie reproduzierbar und zwischen einzelnen Fahrzeugen und Herstellern vergleichbar sind. Realverbräuche oder im Rahmen von Straßentests ermittelte Verbrauchswerte werden dagegen von individuellen Faktoren beeinflusst: Fahrstil, Fahrstrecke, Witterungsbedingungen, tatsächliche Beladung des Fahrzeuges, Zustand des Fahrzeugs und natürlich dem Verkehrsaufkommen. Daher sind diese Werte weder reproduzierbar noch vergleichbar. Straßentests sind Momentaufnahmen und keinesfalls repräsentativ – auch nicht für die Anforderungen aller Kunden.

Gilt die Einschränkung der mangelnden Reproduzierbarkeit dann nicht auch für die Abgastests nach RDE?

Mit den Straßentests nach RDE wird überprüft, dass die vorgeschriebenen Grenzwerte für Stickoxide (NOx) und die Partikelanzahl (PN) unter Berücksichtigung der gesetzlichen Konformitätsfaktoren auch bei Fahrten auf der Straße nicht überschritten werden. Eine RDE-Fahrt deckt ein breites Spektrum an gesetzlich definierten zulässigen Umgebungsbedingungen ab. In der Praxis bedeutet dies, dass die Emissionswerte in sehr vielen Fahrzuständen unterhalb der Zertifizierungswerte liegen werden. Eine RDE-Fahrt ermöglicht es jedoch nicht, reproduzierbar einen Verbrauchswert abzuleiten, der gleichzeitig repräsentativ für alle Kunden ist.

Wer führt die WLTP- und RDE-Tests durch? Unabhängige Institute oder die Hersteller selbst bzw. von ihnen beauftragte Firmen?

Die WLTP-Tests werden entsprechend den gesetzlichen Anforderungen von unabhängigen Technischen Diensten wie TÜV oder Dekra durchgeführt. Der Technische Dienst ist gegenüber der Behörde dafür verantwortlich, dass die gesetzlichen Anforderungen zu jedem Zeitpunkt eingehalten werden.

Wird WLTP in Deutschland ab dem 1.9.2018 die Kfz-Steuer verteuern?

Ja, denn in Deutschland hat der Gesetzgeber die steuerlichen Regelungen trotz neuem Messverfahren nicht verändert. Aufgrund der geänderten Anforderungen haben die Fahrzeuge zwar nicht in der Realität, aber auf dem Papier einen höheren Verbrauch. Das bedeutet, dass der Aufschlag in den CO2-Werten ohne Umrechnungsformel in die Steuerberechnung eingeht. Insbesondere bei neu in den Verkehr gebrachten, aber technisch unveränderten Kleinwagen sind deshalb hohe Aufschläge bei der Besteuerung zu erwarten. Die Auswirkungen der WLTP-Umstellung sollen allerdings nach September 2018 überprüft werden. Grundsätzlich müssen die EU‑Mitgliedsstaaten die Besteuerung erst bis zum 1. Januar 2021 umgestellt haben.

Ab wann gibt Mercedes-Benz die WLTP-basierten CO2- und Verbrauchswerte in den Konfiguratoren und Pressematerialien an?

Voraussichtlich ab dem 1.9.2018. Da in Deutschland die Kfz-Steuer zu diesem Stichdatum für neu zugelassene Fahrzeuge auf WLTP umgestellt wird, werden vermutlich dann WLTP-Werte in den Kundeninformationsdokumenten und -systemen anzugeben sein. Wie werden Flotten­Emissionsgrenzwerte künftig berechnet?

Durch den WLTP-Zyklus erhöhen sich die nominalen CO2­Emissionen. Da aber in der EU bereits Flottenziele bis einschließlich 2020 nach NEFZ definiert sind, werden parallel bis Ende 2020 weiterhin NEFZ-Werte ermittelt. Dies erfolgt entweder mithilfe einer EU-Software (CO2MPAS) oder anhand von zusätzlichen NEFZ-Tests. Da diese zurückgerechneten NEFZ-Werte unter anderem auf den strengeren Rahmenbedingungen des WLTP-Testverfahrens basieren, werden sie höher ausfallen als gemäß dem ursprünglichen NEFZ-Testablauf.